Titel: Jidi 寂地,Ageng 阿梗: 踮脚张望 第三册 Der freie Vogel fliegt - Mittelschuljahre in China, Band 3 (zweisprachige Ausgabe Deutsch-Chinesisch) - Jidi 寂地,Ageng 阿梗: 踮脚张望 第三册 Der freie Vogel fliegt - Mittelschuljahre in China, Band 3 (汉德对照版) Author / Editor: Jidi 寂地 (原作 Szenario, Texte),Ageng 阿梗 (绘画 Zeichnungen), Martina Hasse (译者 Übersetzung) ISBN: 978-3-905816-74-7, 9783905816747 Series: 踮脚张望 Der freie Vogel fliegt - Mittelschuljahre in China Publisher: Chinabooks E.Wolf - 华瑞图书网 Language: bilingual Chinese-German Date of Publication: 2018.04 First edition Number of pages: circa 300-310 Seiten Dimensions: 26 x 19 cm Binding: Paperback
Description: Über die Reihe Der freie Vogel fliegt von Jidi und Ageng Jidi 寂地und Ageng 阿梗 gehören in China zu den wichtigsten Comic-Künstlerinnen ihrer Generation. Für die Reihe Dianjiao zhangwang 踮脚张望, die unter dem Titel „Der freie Vogel fliegt“ bei Chinabooks.ch in einer Übersetzung von Martina Hasse in deutscher Sprache erscheint, spannen die beiden im Team zusammen: Jidi als Szenaristin, von Ageng stammen die Bilder. In Der freie Vogel fliegt erzählt Jidi über die zentrale Figur in der Geschichte, ihr fiktives Alter Ego der Lin Xiaolu, eine semi-autobiographische Geschichte über das Heranwachsen einer Gruppe von Jugendlichen in der westchinesischen Stadt Chengdu in den 90er Jahren. Die Reihe hat in China, Japan und Korea die wichtigsten Auszeichnungen im Bereich Comic/Graphic Novel erhalten, u.a. den Japan International Manga Award, den ICC Comic Award aus Südkorea und den China Animation & Comic Competition Golden Dragon Award. Sehr realistisch erfährt man in der Reihe von den seelischen Nöten und Sorgen chinesischer Heranwachsender. Die Autorinnen greifen auch schwierige Themen auf, wie Aufwachsen als Scheidungskind, Mobbing in der Schule, massiver Schuldruck und Prüfungsstress, die manchmal in Suiziden enden, die Entfremdung zwischen den Jugendlichen und den Erwachsenen, in der chinesischen Gesellschaft tabuisierte frühe Liebesbeziehungen zwischen Jugendlichen, der erste grosse Liebeskummer, heimliche Abtreibungen. Trotz der Schwere mancher Themen spürt man die Lebenslust und den Lebenshunger der Jugendlichen. Lin Xiaolu sammelt Lebenserfahrungen und entwickelt sich im Verlauf der Geschichte von einer Aussenseiterin und grauen Maus zu einer reifen Persönlichkeit, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt. Über die Autoren
Jidi寂地 寂地,中国知名绘本作家,漫画家。2004年起在中国、法国、马来西亚等地出版绘本《我的路》MY WAY系列,小说及漫画《踮脚张望》系列,画集《寂地》《生命中一年的时光》,绘本《飞翔的猫》《找爱》等共25部作品。 2004年起陆续出版绘本漫画《我的路》My Way系列,现已授权至法国、马来西亚以等国家。同时《我的路》系列也多次荣登各大知名书城文学类图书排行榜,得到了广大读者的认可和喜爱,销量稳居内地绘本漫画首位。 2008年出版半自传长篇小说《踮脚张望的时光》。 2010年与漫画家阿梗合作漫画《踮脚张望》,这部作品根据寂地原著小说《踮脚张望的时光》改编,由寂地编写故事脚本,阿梗绘画。 寂地以清新温暖的绘画风格,富有感染力的色彩,温暖忧伤的文字,被誉为“情感色彩魔术师”,温暖心灵的绘本漫画家。 Jidi ist ein Pseudonym, ihr richtiger Name lautet Zu Yale. Jidi wurde 1983 in Chengdu geboren. Sie zählt in China heute zu den wichtigsten Comickünstlern ihrer Generation. Ab 2004 veröffentlichte sie die Reihe „我的路 Wo de lu /MY WAY“, die zu einem Bestseller avancierte und mittlerweile 8 Bände umfasst. Die Rechte daran wurden u.a. nach Frankreich und Malaysia verkauft. 2008 veröffentlichte sie den Roman „踮脚张望的时光 dianjiao zhangwang de shiguang”, der als Vorlage für die spätere Comicreihe “Der freie Vogel fliegt“ dienen sollte. Ab 2010 erschien dann in Zusammenarbeit mit der Zeichnerin Ageng die Comicreihe „踮脚张望 dianjiao zhangwang“ (deutscher Titel: Der freie Vogel fliegt), die mit dem Ende 2017 erscheinenden sechsten Band abgeschlossen sein wird. Jidi wurde in China mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und wird gleichermassen von der Kritik wie vom Publikum geschätzt. Die Reihe hat in China, Japan und Korea die wichtigsten Auszeichnungen im Bereich Comic/Graphic Novel erhalten (u.a. Japan International Manga Award, ICC Comic Award aus Südkorea und China Animation & Comic Competition Golden Dragon Award). In Frankreich ist der erste und zweite Band bei EP bereits in einer französischen Ausgabe erschienen. Jidi wird als Zeichnerin nachgesagt, eine „Magierin des Lichts und der Farben“ zu sein. In ihren die Herzen erwärmenden Geschichten geht es um menschliche Schicksalsschlägen, aber sie machen uns Mut, trotz allem Weiterzuleben, sie transportieren gleichzeitig Trauer und Hoffnung. Jidi lebt gegenwärtig mit ihrem Mann in Dali, in der südwestlichen Provinz Yunnan. Ageng阿梗
阿梗(潘丽萍),北海人,中国美术家协会会员,广州漫友文化签约画手,中国“十大新锐女漫画家”之一。现任教于广西艺术学院美术学院。2002年作品入选第五届亚洲漫画高峰会原作展;2004年作品获东方国际原创动画漫画艺术大赛“最佳漫画造型奖”;2007年受邀赴德国举办“中国四人联展”;作品被中国美术馆、广东美术馆、贵州美术馆、尔冬强版画艺术中心、江苏美术馆等收藏。 Ageng ist wie Jidi ein Pseudonym. Ageng heisst eigentlich mit richtigem Namen Pan Liping. Sie wurde 1979 in Beihai in der Provinz Guangxi geboren. Neben ihrer Tätigkeit als Comiczeichnerin und Illustratorin unterrichtet Sie gegenwärtig an der Kunsthochschule von Guangxi. Sie hat in China zahlreiche namhafte Comic- und Illustrationspreise erhalten und ihre Illustrationen wurden mehrfach in Ausstellungen in zahlreichen Kunstmuseen gezeigt. Über die Übersetzerin Martina Hasse Martina Hasse ist 1961 geboren, studierte Sinologie, Kunstgeschichte und ostasiatische Kunstgeschichte in Hamburg und auf Taiwan und arbeitet als Übersetzerin und Dolmetscherin für Chinesisch. Sie übersetzte bislang u. a. Li Ang, Lung Ying-tai, Liao Yiwu und den Nobelpreisträger Mo Yan und befasst sich neben der Belletristik zudem schwerpunktmäßig mit der Übertragung von Filmen, Kunsthistorischem und Fachliteratur. Ihre neueste Übersetzung ist der gefeierte Science Fiction Roman Die drei Sonnen von Liu Cixin, der international zu einem Bestseller wurde und es in Deutschland auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste geschafft hat, sensationell für einen chinesischen Autoren! Für ihre Übersetzung von Die drei Sonnen erhält sie 2017 den Kurt Lasswitz Preis. AB DIESER STELLE SPOILERWARNUNG!!!
Über den Inhalt Lin Xiaolu ist eine Mittelschülerin und besucht eine Mittelschule mit Schwerpunkt Kunst und Gestaltung. Sie lebt zusammen mit ihrer Mutter in der westchinesischen Stadt Chengdu. Die Geschichte spielt im China der 90er Jahre. Im Band 1 lässt Lin Xiaolu zunächst ihr bisheriges Leben Revue passieren: Lin Xiaolu ist ein Scheidungskind. Das Thema Scheidung ist im China der 90er Jahre immer noch sehr mit Tabus behaftet. Als Scheidungskind muss sie in der Grundschule Hänseleien über sich ergehen lassen und wird ausgegrenzt. Sie wählt daraufhin die Selbstisolation und unterhält sich in iherer Fantasie mit geliebten Figuren aus Comics und Zeichentrickfilmen, anstatt sich mit realen Mitmenschen und realen Problemen zu befassen. Die ersten Lebensjahre hat sie bei ihren Grosseltern verbracht, dann in einer Patchwork-Familie bestehend aus ihrem Vater und seiner neuen Frau und ihrem Baby-Halbbruder, wo sie sich unerwünscht und überflüssig vorkommt, wie das fünfte Rad am Wagen. Ihre Schulleistungen sind unterirdisch schlecht, weshalb sie in den Augen ihres Vaters eine völlige Versagerin ist. Xiaolu muss ständig Vergleiche mit ihrer Cousine, einer tadellosen Musterschülerin, über sich ergehen lassen. Die Liebe seiner Tochter zum Zeichnen und Malen ist für den Vater nichts als nutzlose Zeitverschwendung. Xiaolu flüchtet sich umso mehr in die Welt japanischer Mangas und ihrer Phantasie. Erst gegen Ende der Grundschulzeit holt ihre Mutter sie zu sich. Es ist die Mutter, die immer an ihre Tochter glaubt und sie nie aufgibt. Die Mutter kommt zum Schluss, dass für Xiaolu eine normale Regelschule nicht der richtige Nährboden ist. Mutter und Tochter ziehen von einer Kleinstadt in die Grossstadt Chengdu um und Xiaolu besucht von nun an eine Mittelschule mit Schwerpunkt Kunst und Gestaltung. (Man muss hierbei wissen, dass in China den Naturwissenschaften und der Mathematik die meiste Wertschätzung und das meiste soziale Prestige entgegengebracht werden. Daher landen auf Kunstschulen neben Kindern mit künstlerischen Neigungen auch oftmals solche mit schwachen Schulleistungen.) An der neuen Schule und in der neuen Umgebung blüht Xiaolu allmählich auf. Sie verlässt nach und nach ihr Schneckenhaus und kommt in Kontakt zu Mitschülern und anderen Menschen, schliesst enge Freundschaften. In der weiteren Geschichte wichtig werdende Figuren sind unter anderem ihre Mitschülerinnen und Freundinnen Xie Siyao, ein zunächst flatterhaftes Mädchen, das viel zu schnell erwachsen werden muss, und Su Yan, die von ihren Eltern zwar materiell alles erhält, aber keinerlei Wärme und Zuneigung, und weitere Figuren um deren Clique; Hu Xu, der eigenwillige Ladenbesitzer eines Animefiguren-Shops und dessen Freundin Zhang Xiaoman, mit der er eine lange On-Off-Beziehung unterhält, sowie Xiaolus Cousine Ruirui. Eine weitere zentrale Figur ist Han Che, ein Schüler einer oberen Klasse, für den Xiaolu insgeheim und aus der Ferne schwärmt, und den sie heimlich stalkt, dem sie ihre Gefühle aber nicht anvertraut. Wir erfahren über Han Che aber nur durch Xiaolus Gefühlsleben – was Han Che selbst denkt und fühlt oder was für ein Mensch er wirklich ist bleibt im Dunkeln. Beweggründe der Szenaristin Jidi Jidi gibt in einem eigens für die deutschsprachige Ausgabe neu verfasstem Vorwort Aufschluss darüber, was sie zu der Geschichte von Der freie Vogel inspiriert hat und über ihre Beweggründe und Intentionen, diese Geschichte zu schreiben: Vorwort zur deutschen Ausgabe „Der freie Vogel fliegt“ Meine lieben deutschen Leser und Leserinnen, ich grüße euch herzlich! Wie freue ich mich, dass „Der freie Vogel fliegt“ in Deutschland erscheinen wird. Mit dieser Comicreihe beginnen wir, uns, die Kulturen übergreifend, miteinander auszutauschen und uns zu verstehen. Egal in welchem Land, die Jugendlichen auf der ganzen Welt haben immer ihre Not mit dem Erwachsenwerden und fühlen sich während ihrer Jugendzeit entwurzelt.
In diesem Comic gibt es einiges, das mir wirklich widerfahren ist. So war mein Vater tatsächlich immer enttäuscht von mir. Dabei war ich glühend entbrannt für die Malerei und das Schreiben, doch er fand, dass dies völlig nutzlose Dinge seien. Dabei ist er nichts weiter als ein besonders typischer Fall des chinesischen Vaters——und hat somit allerhöchste Erwartungen an sein Kind. Doch nur die Schulnoten und nichts anderes entscheiden darüber, ob ein chinesisches Kind herausragend ist oder nicht. Meine Noten waren immer schlecht; und er fand deshalb, dass ich ein Nichtsnutz wäre. Er glaubte nicht, dass sich bei mir in der Zukunft irgendein Erfolg einstellen würde. Noch viel schlimmer war, dass auch ich annahm, dass das, was er dachte, richtig wäre. Es war unzählige Male der Fall, dass ich eine Klausur nicht bestanden hatte und ihm deshalb nicht unter die Augen treten mochte, und dass ich nur hoffte, ich wäre tot. Glücklicherweise unterstützte meine Mutter immer meine Malerei, obschon sie nach ihrer Scheidung von meinem Vater in einer anderen Stadt arbeitete und wir uns nur sehr wenig sahen. Sie gab mir jederzeit geistigen Beistand und begleitete mich dabei, meine dunkle Jugendzeit zu überstehen, ohne dass ich meine Malerei und Schreiberei aufgab. Mit Eintritt in die höhere Mittelschule konnte ich endlich das Haus meines Vaters verlassen und mit meiner Mutter zusammenleben. Wenn ich wegen meiner Noten niedergeschlagen war, tröstete sie mich und sagte immer, ich hätte doch mein Bestes gegeben, das würde ausreichen. Ich entspannte mich und machte in meiner Schulausbildung und bei meiner Malerei riesengroße Fortschritte. Sogar die Universitätseintrittsprüfungen bestand ich, das, was mein Vater mir niemals zugetraut hatte, und ich konnte studieren. Mit Unterstützung meiner Mutter veröffentlichte ich noch während meiner Studienzeit meine ersten Arbeiten. Ich hatte sogar die Chance zu veröffentlichen! Inzwischen sind meine Werke Bestseller, die Gesamtabsatzzahlen überschreiten 3.000.000 Exemplare. Meine Bücher gehören zu den in China erfolgreichsten Graphic Novels überhaupt. Ich weiß natürlich genau, dass es in China noch viele talentierte Kinder gibt, denen wegen ihrer schlechten Schulnoten ein Weiterkommen in Abrede gestellt wird. Ich habe Glück gehabt. Als mein Vater mir meine nach Freiheit strebenden Vogelschwingen stutzen wollte, beschützte mich meine Mutter und verhinderte es. Was anderen Kindern wohl geschieht? Können sie ihre eigenen Talente ohne Behinderung zur vollen Entfaltung bringen? Die chinesische Ausgabe meines Buches habe ich meiner Mutter gewidmet. Im November 2004 wurde ihr Leben durch einen Verkehrsunfall ausgelöscht. Ein halbes Jahr später hörte ich, während ich mir auf dem Sofa sitzend die Fernsehnachrichten anschaute, dass ein Schüler, der immer sehr gute Noten gehabt hatte, bei einer wichtigen Prüfung, nämlich den Probeklausuren, die vor den Universitätseintrittsklausuren geschrieben werden, versagte; wider aller Erwartungen bekam er schlechte Noten. Er nahm sich das Leben. Es war lediglich die vorbreitende Probeklausur. Es hatte sich nicht einmal um die wirkliche Universitätseintrittprüfung gehandelt. Meine Mutter war ein Mensch, der das Leben über alles liebte, der immer frohgemut und voller Enthusiasmus war. Als sie mir fortgenommen wurde, war sie 48 Jahre alt. Sie hatte eine Scheidung hinter sich, war oft arbeitslos gewesen, aber sie hatte immer wieder im Leben gesiegt. Durch ihre Entschiedenheit und Fröhlichkeit lebte sie meisterhaft. Sie hätte so gern weitergelebt. Aber sie wurde durch den Unfall aus dem Leben gerissen. Jede Schülerin und jeder Schüler, die die höhere Mittelschule besuchen, ist blutjung. Ihnen allen winkt, egal mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben, eine glänzende Zukunft. Der Schüler in den Nachrichten jedoch warf sein Leben über Bord. An jenem Tag, als ich das hörte, saß ich allein auf dem Sofa. Ich weinte und weinte. Dann beschloss ich, dieses Buch zu schreiben. Ich wollte mittels meines schwachen Stimmchens allen Kindern, die aus den Augen verloren haben, dass ihnen eine Zukunft winkt, mitteilen, dass alles immer gut wird. Dass man sich selbst nie aufgeben darf. Es ist bisher der einzige „Roman“, den ich schrieb, doch die Resonanz, die ich von meinen Lesern bekomme und bekam, ist riesengroß. Deswegen produzierte ich mit meiner Freundin A Geng - eine der herausragendsten Comicautorinnen Chinas - einen mehrbändigen Comic aus meinem Buch. Und es ist mein Glück, dass die erfahrene Übersetzerin Martina, die viele Bücher, die mir sehr gefallen, ins Deutsche übertrug, die Übersetzung dieser Reihe übernommen hat. Wir sprachen lange über mein Buch und erörterten, was mir am Herzen liegt, den Kern seines Inhalts. Martina wählte für mein Buch den deutschen Titel „Der freie Vogel fliegt“. Ich liebe diesen Buchtitel. Danke, lieber Leser, dass du mein Buch gekauft hast, dass durch dich das kleine Mädchen, dass sich so entwurzelt fühlte, seine Flügel so weit ausstreckt. Ich wünsche dir Genuss beim Lesen, wenn du in die Gedanken- und Seelenwelt dieses chinesischen Mädchens eintrittst. 2017 in China, Provinz Yunnan in Dali verfasst von Ji Di
Beweggründe für die Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe
In „Der freie Vogel fliegt“ erzählt Jidi von Ihrer Jugendzeit in der westchinesischen Stadt Chengdu. Sehr realistisch erfährt man von den seelischen Nöten und Sorgen chinesischer Heranwachsender und die Autoren packen auch schwierige Themen an: enormer Schuldruck und Prüfungsstress, Aufwachsen als Scheidungskind, eine Cousine begeht nach einer missratenen Universitätsaufnahmeprüfung Selbstmord (in China leider keine Seltenheit), eine Schulfreundin hat eine Abtreibung (in China untersagen Lehrer und Eltern minderjährigen Schülern Liebesbeziehungen, das ist dort ein grosses Tabu). Man erhält als (westlicher) Leser in dieser Reihe tiefe Einblicke in chinesische Familien und die chinesische Gesellschaft. Das Lesealter dürfte man bei ab etwa 14 Jahren ansetzen, die Reihe ist ebenso auch für erwachsene Leser hochinteressant und lesenswert. Die Reihe hat in China, Japan und Korea die wichtigsten Auszeichnungen im Bereich Comic/Graphic Novel erhalten (u.a. Japan International Manga Award, ICC Comic Award aus Südkorea und China Animation & Comic Competition Golden Dragon Award). In Frankreich ist der erste und zweite Band bereits in einer französischen Ausgabe erschienen. Viele Schilderungen Jidis ihrer Jugend im China der 90er Jahre sind universell und dürften auch bei westlichen Lesern Erinnerungen an deren eigene Jugend wecken: die ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, die erste Liebe, der erste Liebeskummer, die als Adoleszenter erlebte Entfremdung von den Erwachsenen, die Sprachlosigkeit zwischen Heranwachsenden und ihren Eltern. Jidi setzt sich in „Der freie Vogel fliegt“ aber auch kritisch mit weitverbreiteten Phänomenen in der chinesischen Gesellschaft auseinander, und dies mit einer Schärfe in der Selbstwahrnehmung, die man bei chinesischen Autoren nicht oft findet: unter anderem damit, wie Kinder schon in frühem Alter eine Rollenverteilung von „Siegern“ und „Versagern“ aufgedrückt bekommen, wie einzig mathematisch-naturwissenschaftliche Begabungen als erstrebenswert erachtet werden und auf anderen Gebieten talentierte Kinder zu Nichtsnutzen abgestempelt werden. Die grosse Erwartungshaltung von Eltern an deren Kinder betreffend schulischer Leistung und das schulisch erfolgreiche Kind als Trophäe seiner Eltern. Die Tabuisierung von Liebesbeziehungen unter Teenagern, die bis zu drastischen Verboten und drakonischen Strafen reicht. Der gesellschaftliche und soziale Zwang zur Abtreibung bei ungewollten Schwangerschaften, dies auch aufgrund von Ausweglosigkeit bei völliger Alternativlosigkeit. Mörderischer Prüfungsdruck vor der Universitätsaufnahmeprüfung, an deren Abschneiden sich weitgehend die Zukunfts- und Lebenschancen junger Menschen entscheiden. In „Der freie Vogel fliegt“ gibt es einige zutiefst traurige Momente, aber die Botschaft der Geschichte ist eine positive, Mut machende, lebensbejahrende: Xiaolu überwindet ihre Ängste vor anderen Menschen und findet echte Freunde. Xiaolu macht sich frei von ihren Minderwertigkeitskomplexen und ihrem geringen Selbstwertgefühl. Wie auch in der von Jidi selbst gezeichneten Reihe „我的路 My Way“ beschäftigt sich Jidi damit, wie es gelingen kann, auch nach schweren Schicksalsschlägen seelische Verletzungen zu überwinden und eine neue Perspektive aus sein Leben zu finden und neue Hoffnung zu finden, um weiterzuleben, wie man an widerfahrenem Unglück wachsen kann und über sich hinauswachsen kann, anstatt daran zu zerbrechen. „Der freie Vogel fliegt“ hat viele zutiefst berührende Momente, etwa wenn Xiaolu für ihre durch Suizid aus dem Leben geschiedene Kusine eine fiktive Lebensgeschichte erfindet, ihr nicht gelebtes Leben weiterschreibt, in der die Kusine nach Amerika reist und eine Karriere als Popstar macht.
Wir glauben, dass „Der frei Vogel“ auch im Westen begeisterte Leser finden wird.
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